Militärforschung
  Atemschutzausbildung
 

In den dunklen Kellern der Berliner Feuerwehr -

Die Atemschutzgeräteträger-Grundausbildung

27. März 2013

Es ist dunkel, stockdunkel sogar. Der Kunststoffrahmen schneidet ins Gesicht, aber daran kann man hier nichts ändern. Auf dem Rücken drückt die Last. Ich muss mich jetzt auf meinen Atem konzentrieren, um nicht zuviel Sauerstoff zu verbrauchen. So ergeht es einem beim Atemschutzgeräteträgerlehrgang der Berliner Feuerwehr.

Atem und Atemschutz

 Mitglieder der DLRG agieren normalerweise draußen an der frischen Luft, wenn eine leichte Brise über den Wannsee weht und an heißen Sommertagen etwas Abkühlung verschafft. Nur die Rettungstaucher brauchen für ihren schwierigen Dienst eine besondere Ausrüstung aus Neoprenanzug, Gewichten und einer „Sauerstoffflasche“ mit Atemluft. Aber auch die Angehörigen des ABC-Zuges der DLRG können bei einem Einsatz in die Lage kommen, dass die herkömmliche ABC-Maske mit Filter nicht mehr ausreicht und ein so genannter Pressluftatmer angelegt werden muss. Um den Umgang damit zu erlernen, nahmen nun acht ABCisten an einem Atemschutzgeräteträgerlehrgang der Feuerwehr teil.

Das Haus 7 an der Feuerwehrschule in Berlin-Schulzendorf ist unter Feuerwehrleuten ein bekannter und bisweilen gefürchteter Ort. Im Keller befinden sich die alte und die neue Atemschutzstrecke. Jeder Feuerwehrmann, der zur Brandbekämpfung eingesetzt wird, muss hier einmal im Jahr seine medizinische Atemschutztauglichkeit nachweisen. Wer die „Atemschutzbelastungsübung“ nicht schafft, gilt als nur noch eingeschränkt diensttauglich.

Wir von der DLRG nahmen zum ersten Mal an einem solchen Test teil, daher hieß es für uns zunächst einmal, die Theorie pauken. Dafür gab es gleich am ersten Tag einen Packen Papier mit „Lehrunterlage“ und „Aufgabenblättern“, die die Bestimmungen der „Feuerwehr-Dienstvorschrift 7“ (FwDV7) zusammenfassten.

Aus der üblichen San-Ausbildung war die Zusammensetzung der Atemluft schon bekannt: Während die Einatemluft besteht zu 21 % aus Sauerstoff und 0,04 % Kohlendioxid besteht, sind es bei der Ausatemluft nur noch 17 % Sauerstoff aber 4,04 % Kohlendioxid. Bei mittlerer Belastung beträgt der Atemluftbedarf 40 bis 60 Liter pro Minute, bei großer Belastung gar 100 Liter oder mehr. Und mit Atemgiften kennt man sich als ABCist sowieso aus: Es gibt Gase mit erstickender Wirkung (Stickstoff und Methan etc.), ätzender Wirkung (Ammoniak und Säuredämpfe) und schädlicher Wirkung für das Blut und die Körperzellen (Kohlenmonoxid und Blausäure). Außerdem hat jeder ABCist seine eigene ABC-Maske und kennt deren Filter ABCK2P3.

Der Pressluftatmer

Neu war für uns der Umgang mit dem Sauerstoffgerät oder – wie es bei der Feuerwehr richtiger heißt – dem Pressluftatmer (PA): Auf einer Trageplatte ist die Flasche mit einem Volumen von 6,8 Litern montiert. Sie ist mit einem Druck von maximal 300 Bar gefüllt worden, so dass über 2000 Liter Atemluft zur Verfügung stehen. Durch einen Druckminderer entweicht die Luft über einen Schlauch zum Manometer, mit dem der Druck abgelesen werden kann, und weiter zum so genannten Lungenautomaten, der an die Atemschutzmaske angeschlossen wird. Auf Maskenträger kommt die Luft noch mit einem Druck von 7 Bar an, so dass keine Gefahr besteht, die Lunge könnte platzen. Der erste Kontakt mit dem neuen Gerät verlief positiv. Während man bei jeder ABC-Maske mit Anstrengung atmet, weil man die Luft durch den Filter mit seinen Kohle- und Watteschichten hindurchblasen muss, atmet es es sich mit dem Pressluftatmer angenehm leicht.

Eine mit 300 Bar voll gefüllte Flasche reicht für 30 Minuten aus. Jede Einsatzkraft muss ihren eigenen Luftverbrauch ständig selbstständig kontrollieren und nutzt dazu die einfache Faustformel: Druck am Manometer geteilt durch Zehn gleich restliche Gebrauchsdauer. Mit zunehmendem Verbrauch verringert sich natürlich der Restdruck. Bei einem Wert von rund 55 Bar ertönt automatisch ein lautes Pfeifen. Der Feuerwehrmann weiß dann, dass er noch für rund 5 Minuten Luft zur Verfügung hat; er muss dann sofort den Rückweg antreten. Ansonsten gilt die Formel, für den Rückweg muss man – aus Sicherheitsgründen - den doppelten Verbrauch einplanen, wie für den Hinweg. In der Praxis heißt dies, dass ein Atemschutzgeräteträger gerade mal 10 Minuten hat, um an den Gefahrenort zu gelangen und dort die notwendigen Rettungs- oder Brandbekämpfungsmaßnahmen durchzuführen. Danach muss er von einem anderen Atemschutzträger abgelöst werden.

Die Orientierungsstrecke

Luft für kaum dreißig Minuten und davon nur wenige Minuten Zeit am Einsatzort – für einen Laien klingt das verdammt wenig. Aber was das für eine Anstrengung für den Atemschutzgeräteträger bedeutet, davon konnten wir uns während des Lehrgangs selbst ein Bild machen.

Um für den Lehrgang überhaupt zugelassen zu werden, benötigte jeder Kursteilnehmer einen ärztlichen Nachweis für eine erfolgreiche Untersuchung des arbeitsmedizinischen Dienstes mit Belastungs-EKG und Lungenfunktionstest. „G-26.3“ heißt die Bescheinigung in Fachkreisen. Nach einem „Gewöhnungstest“ ging es dann zum Üben in die alte „Atemschutzstrecke“: In einem großen Kellerraum haben die Feuerwehrleute mit zahlreichen Holzverschlägen einen Hindernisparcour aufgebaut, der sich durch Öffnen und Schließen von Türen leicht umbauen lässt. Damit wird eine abgebrannte Wohnung simuliert. Mal geht es über, mal unter Hinternisse hindurch. Manchmal muss man sich durch enge Röhren oder Durchlässe quälen. Manche verwinkelte Kammer endet in einer Sackgasse und man muss zurück. In anderen Räumen stehen Schränke, Regale oder Stühle im Weg, Seile hängen als „Stromleitungen“ von der Decke.

Der Auftrag lautet, durch die Atemschutzstrecke hindurch kriegen und sie dabei absuchen. Wonach man suchen soll, wird nicht gesagt. Mal findet man ein „Kind“ versteckt in einem Kleiderschrank, mal einen 20-Liter-Benzinkanister, mal eine kalte Gasflasche. Zwar ist der Raum normal beleuchtet, aber das Sichtfenster der Atemmaske wird komplett verschlossen, so dass die Lehrgangsteilnehmer kaum einen Schattenumriss erkennen können. Nur die weißen Helme zeichnen sich etwas vom Hintergrund ab. Künstlich „erblindet“ werden Hände und Füße zu ungewohnten Tastorganen umfunktioniert.

In Zweier-Trupps geht es durch und über den Parcour. Wichtig ist, dass man für sich eine Orientierungsseite – ob links oder rechts ist egal – festlegt und dann systematisch vorgeht.

Aber die Anweisungen der Ausbilder sind scheinbar widersprüchlich:

  1. Man soll engagiert arbeiten, dabei aber Sauerstoff sparen.
  2. Man soll schnell vordringen, dabei aber die Räumlichkeiten gründlich absuchen.
  3. Man soll untereinander umfassend kommunizieren, dabei aber nicht allzu viel quatschen.
  4. Man soll als Zweier-Trupp immer eng miteinander verbunden bleiben, sich dabei aber im ganzen Raum möglichst verteilen.
  5. Man soll sich orientieren, obwohl man nichts sehen kann.

So bedarf es wohl einiger Übung, um als Feuerwehrmann hier den „goldenen Mittelweg“ zu finden. Eindringlich werden wir ermahnt, dass von unserem richtigen taktischen Vorgehen das Leben anderer Menschen abhängt.

Persönlicher Super-GAU

Mit einem Kameraden bilde ich einen Zweiertrupp. Als die Reihe an uns ist, sind wir zunächst sehr erfolgreich. Schon nach vier, fünf Minuten ist die Kinds-Puppe gefunden. Der Ausbilder ist zufrieden und befiehlt uns den Rückweg. Zwar ist der Hinweg in der Regel auch der sicherste Rückweg, aber da wir noch jede Menge Luft in unseren Flaschen haben, beschließen wir, einen kürzeren Rückweg zu suchen. Wie sich herausstellt, ein kardinaler Anfängerfehler. Statt zum Eingang zurückzukehren, tasten wir uns immer tiefer in die Übungsstrecke vor.

Irgendwann steht ich vor einem dreißig Zentimeter breiten Durchlass in Hüfthöhe. Mit den Füßen kann ich am anderen Ende ertasten, dass es da weitergehen würde, aber ich schaffe es nicht, in den eineinhalb Meter langen Tunnel reinzukriechen. Ein Schultergurt hatte sich etwas gelöst und so hängt die schwere Sauerstoffflasche schräg auf meinen Rücken. Mein Truppführer müsste mir beim Reinkriechen helfen und die Flasche etwas stützen. Der aber ist plötzlich verschwunden. Ich rufe einmal, zweimal, ..., fünfmal. Keine Antwort! Plötzlich geht meine Warnpfeife an: Luft noch für rund fünf Minuten!

Irgendwo im Dunkeln, ohne Orientierung; vorwärts geht nicht, Rückweg auf jeden Fall zu lang; kein Sprechfunk mit der Einsatzleitung, kein Kontakt zum Truppführer; schweißgebadet und mit schwerem Atem, dazu noch Luft für kaum fünf Minuten. In einem echten Einsatzfall könnte ich jetzt nur noch auf ein „Wunder“ hoffen. Ansonsten bleibt mir nur noch ein kleines Elektrogerät am Gürtel, der so genannte „Bewegungslos-Melder“. Wenn dieser durch die eigenen Körperbewegungen 20 Sekunden nicht mitbewegt wird, geht automatisch ein pfeifender Alarm los. Kameraden wissen dann, das dort ein Feuerwehrmann vermutlich bewusstlos rumliegt und können ihn, hoffentlich mehr lebendig als tot, retten. Irgendwie habe ich mir das Ende anders vorgestellt. Zum Glück ist es nur ein Lehrgang.

Belastungstest in der medizinischen Teststrecke

Neben der alten Atemschutzstrecke zur Orientierungs- und Suchübung gibt es im gleichen Keller noch eine neue Atemschutzstrecke. Hier werden alle Lehrgangsteilnehmer auf ihre physische Leistungsfähigkeit überprüft und dazu mit einem Pulsmesser ausgerüstet. Zwar hat jeder einen ärztlichen G-26.3 Test absolviert, aber die Feuerwehr will es offensichtlich ganz genau wissen.

Wieder geht es über einen Hindernisparcour. Aber diesmal sind es keine Holzverschläge, sondern so eine Art Gitterboxen. Immer zwei neben und übereinander. Mal geht es nach rechts, mal nach links, mal nach oben oder unten, meistens vor, aber manchmal auch zurück. Die ganze Wegstrecke umfasst 61 Meter, die wieder in absoluter Dunkelheit passiert werden muss. Mit Infrarot-Kameras überwacht unser Ausbildungsleiter, Herr Scheibe, alle Abläufe.


Aber vorher und nachher geht es noch in den Fitnessraum: Auf einem Laufband muss die Testperson mit Einsatzkleidung und Sauerstoffflasche 300 m bei leichter Steigung gehen. Danach muss man ein Gewicht mehrmals hochziehen. Hier versuchen natürlich einige zu pfuschen, in dem sie das Gewicht nicht mit der Kraft der Oberarme hochziehen, sondern sich mit dem ganzen Rücken einfach zurücklehnen. Dann geht es auf eine „Endlosleiter“. Hier muss die Testperson mit seiner Rückenlast zehn Meter hochsteigen. Danach kommt die Passage durch den Kriechkeller und anschließend wieder in den Fitnessraum zurück. Auf einem Standfahrrad darf man zum Schluß drei Minuten trampeln. „Nur so zur Entspannung, damit ihr wieder runterkommt“, erklärt der Ausbilder.


Den Test hat bestanden, wer mit seinem Flascheinhalt Luft auskommt und dessen Puls einen oberen Grenzwert nicht übersteigt. Mein Partner war (etwas) übergewichtig und hatte daher Schwierigkeiten, durch eine schmale Luke zu kriechen. Ich steckte in einer waagerechten Röhre fest, weil ich mich auf dem glatten polierten Holzboden weder mit den Armen abstoßen noch mit den Beinen irgendwo weiterziehen konnte. Am Ende packte mich mein Kamerad an den Füßen und zog mich wie einen alten Sack mit Sauerstoffflasche durch die Röhre. Geschafft!


Am Ende haben alle acht DLRG-Teilnehmer den Lehrgang bestanden. Immerhin zwei Kameraden wollten beim Belastungstest eigentlich aufgeben und konnten nur durch den positiven Zuspruch der Kameraden letztendlich durchhalten. Zwar war es kein schwieriger Lehrgang, aber dennoch war es schwer, ihn zu bestehen. Den Orientierungskurs müssen wir nicht mehr wiederholen, aber in einem Jahr geht es wieder zum medizinischen Belastungstest in die neue Atemschutzstrecke. Für einen eventuellen ABC-Einsatz unter Atemschutzbedingungen haben wir viel gelernt. Außerdem haben wir eine Ahnung davon bekommen, wie schwierig und anstrengend der Einsatz der Berliner Feuerwehrleute bei einem Brand tatsächlich ist. Respekt!